Klara Stepphuhn
Selkirk, Manitoba
Der Hund meiner Familie liebt mich
Die Anreise war ganz gut. Ich konnte gleich meine Mitreisenden treffen. Dadurch war die Reise angenehm, weil ich nicht ganz auf mich alleine gestellt war und Hilfe hatte. Bis wir im Flughafen in Toronto waren, ist alles glatt gelaufen. Allerdings mussten wir dort sehr lange auf unser Study Permit warten. Wäre unser Flug nicht um eine halbe Stunde verschoben worden, hätten wir ihn verpasst.
Vor dem ersten Zusammentreffen mit meiner Gastfamilie war ich ziemlich aufgeregt. Ich hatte zwar schon mehrere Monate mit ihr geschrieben und Fotos ausgetauscht, aber es ist was anderes, jemandem in echt zu begegnen. Meine Gastschwester hatte ein Schild für mich gemalt, um mich willkommen zu heißen. Das steht immer noch in meinem Zimmer.
Zuerst war ich richtig überfordert und habe sie einfach nur angegrinst und wusste überhaupt nicht, was ich sagen sollte. Ich habe immer nur mit "Ja, ja" geantwortet, bevor ich mich gefragt habe, ob ich nicht lieber "yes" sagen soll.
In den ersten Tagen war ich ein bisschen unsicher, wie ich mich verhalten soll, aber meine Familie hat mich herzlich aufgenommen und inzwischen bin ich ein weiteres Familienmitglied. Der eine Hund meiner Familie liebt mich. Er kommt immer zu mir und will gestreichelt werden und lehnt sich dann an mich, dass ich fast umfalle.
Am ersten Schultag haben wir alle Informationen für International Students erhalten. Ich werde jeden Morgen vom Schulbus abgeholt und habe mich dann am ersten Tag einfach irgendwohin gesetzt. Alle anderen haben mich dann so komisch angeschaut und ich habe mich gewundert, warum sich Abby nicht neben mich setzt, bis ich verstanden habe, dass jeder seinen eigenen Sitzplatz hat und die älteren Schüler im hinteren Teil sitzen und die jüngeren vorne.
Ich hatte erst am Tag darauf richtig Unterricht. Die Schule hier ist viel größer als die in Deutschland und ich habe immer noch nicht das Gefühl, dass ich weiß, wo sich alles befindet. Ich hatte zuerst echt Probleme die Klassenräume zu finden.
Insgesamt habe ich 5 Fächer. Das sind Biology, Accounting, English, Creative Writing und Graphic Design.
Ich finde alle davon gut, aber am besten gefallen mir davon die, die ich zu Hause nicht belegen kann. In Accounting lerne ich nicht nur Buchhaltung, sondern auch wie ich auf Excel eine Tabelle erstelle, wozu die Lehrer in Deutschland nicht fähig waren. In Creative Writing lerne ich endlich mal etwas, das mich richtig interessiert. Graphic Design hatte ich gar nicht gewählt, aber ich bin sehr froh, dass ich es behalten habe. Auch wenn ich vor jedem neuen Assignment denke, ich werde das nie schaffen, bin ich doch immer wieder überrascht, was ich so zustande bringen kann. So eine Erfahrung hatte ich zu Hause selten in der Schule.
Hier arbeiten sowohl Lehrer und Schüler sehr viel am Computer, was mich zu Anfang etwas überfordert hatte, da ich normalerweise Computer meide. Aber hier funktionieren die Computer einwandfrei und die Lehrer sind immer hilfsbereit und können mit Problemen auch helfen.
Die Lehrer verstehe ich die meiste Zeit über einwandfrei und durch die vielen unterschiedlichen Fächer lerne ich immer neue Vokabeln, auf die ich zu Hause nicht gekommen wäre. Mein gesprochenes Englisch war zu Beginn ganz okay, aber nicht wirklich flüssig. Auch wenn ich jetzt immer noch viel nach Wörtern angeln muss, merke ich doch, dass ich immer selbstsicherer spreche und nicht mehr so viel nachdenken muss. Inzwischen rutscht mir das ein oder andere Mal, wenn ich mit Freunden zu Hause spreche ein englisches Wort heraus oder mir fällt das deutsche nicht mehr ein.
In den Weihnachtsferien haben wir die ganze Familie besucht und an jedem Weihnachtsfeiertag in einem anderen Haus zu Abend gegessen. Heiligabend haben wir aber alleine zu Hause verbracht. Das war echt schön. Meine Gastfamilie hat sogar extra wegen mir schon am 24. die Geschenke geöffnet und nicht erst am 25.
Mit der Sprache wird es immer besser. Ich muss nicht mehr lange über eine Antwort nachdenken, sondern rede einfach drauf los. Auch mit dem Schreiben ist es viel einfacher. Es ist nicht alles grammatikalisch korrekt, aber es ist ziemlich gut geworden.
Ich finde es gut, dass es hier nicht wichtig ist, was ich für Noten schreibe und deshalb richtig entspannt während der Arbeiten bin. Außerdem ist das Angebot hier so viel besser. Ich habe zum Beispiel Hardware und Software Essentials und da haben wir letzte Woche einen Computer auseinandergebaut. Ich hätte in Deutschland nie ein solches Fach gewählt (wenn es angeboten werden würde), weil ich das später beruflich nicht machen möchte. Aber hier spielt das keine Rolle und man kann einfach mal andere Dinge ausprobieren.